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Tag 4
Von der absoluten Horrornacht ins Paradies

Von Oppenheim nach Guntersblum (ca. 8,5 km)

Tja, was gestern noch als Glücksfall galt, ist in der Nacht zur absoluten Horrornacht geworden … wobei eigentlich auch schon zum Horrorabend.

 

Alles ereignete sich gestern wie folgt:

Die Strandbar, in deren Garten wir schlafen durften, feierte an diesem Tag eine riesengroße Feier. Zu Ehren der ortsansässigen Feuerwehr, die mit diversen Einsatzwagen und der zahlreich versammelten Mannschaft auch anwesend war. Es gab Bratwurst, viele Menschen und eine Live-Band. Eigentlich sind wir ja Fans von Musik, da wir ja selber Musiker sind. Aber dieses Event kratzte von Anfang an an unseren Nerven. Die Musik war sehr laut und es handelte sich um gecoverte Rock-Musik. Die Band war eigentlich sehr gut, aber wir sehnten uns nach Ruhe und das Genre gehört nicht unbedingt zu unserer Lieblingsmusik. Als die Band dann ENDLICH ihren WIRKLICH letzten Song spielte, setzte kurze Zeit später ein DJ ein. Oh no! Jetzt war das musikalische Level vollkommen dahin, denn es ging allein darum "Paaadyyy" zu machen und die Meute anzuheizen. Ballermann Mukke lässt grüßen. Die Hitze  wollte auch nicht abkühlen, die Musik dröhnte und zu allem Überfluss kamen wieder unsere alten Freunde die Killermücken dazu. Willkommen in der Hölle! Ich war ungelogen kurz davor der besseren Hälfte an die Gurgel zu gehen. Niemand anders war da, an dem ich meine aufgehitzten Aggressionen loswerden konnte. Ich musste mich entscheiden: Entweder ich würde an Erstickung sterben, oder an zu vielen Mückenstichen. Beides war nicht wirklich erstrebenswert. In einem letzten verzweifelten Versuch nach frischer Luft, wickelte ich mich in meinen knallgrünen Anti-Insekten-Seiden-Schlafsack ein und stürmte hinaus aus dem Zelt. Ab in die Freiheit, wie ich dachte. Denkste! Höchstens 2 Grad kühler war es draußen. Und so wankte ich ganz umsonst im grün leuchtenden Seidenkokon durch die Nacht. Was für ein Reinfall! Ich weiß nicht, wie ich es schaffte in dieser Nacht einzuschlafen. Eine imaginäre Sauerstoffmaske und Klimaanlage halfen mir vielleicht dabei, vielleicht war ich aber auch von dem Hitze-Marathon so fertig, dass ich einfach ins Delirium fiel. Um 5. 00 Uhr morgens spielte sich dann wieder die gleiche Szenerie wie gestern ab: Ich sagte der besseren Hälfte, dass er den Wecker auf später stellen sollte. Wieder wusste ich um 6. 30 Uhr nichts davon. Oh je, dass wird ja langsam unheimlich mit mir. Voller Kraft und Zuversicht machten wir uns an diesem Morgen ans packen. Nein, Scherz natürlich! Wir waren komplett zerstört und überhaupt nicht erholt von dieser Horrornacht. Na, dass konnte ja was werden heute! Auf der Toilette bahnte sich dann die nächste Katastrophe an: eine schmerzhafte Blasenentzündung kletterte zu mir herauf. Da ich aber immer positiv bin und immer alles versuche, was geht, schwang ich mich trotzdem aufs Fahrrad und wollte es wenigstens versuchen. Was blieb mir auch anderes übrig? Ich wäre niemals an diesem Partyort mit seinen verdreckten Toiletten geblieben. Ich wollte ums alles in der Welt von hier weg. 

Mit Hilfe von “Incognito”, die nun über unsere Lautsprecherbox läuft, versuche ich den Schmerz der immer stärker werdenden Blasenentzündung zu überhören. Mir ist bewusst, dass ich so heute nicht weit kommen werde, aber immerhin zum nächsten Supermarkt wäre es schon einmal toll. Unsere Wasservorräte sind komplett aufgebraucht und etwas zu essen gab es heute morgen auch noch nicht. Alle 10 Minuten muss ich die Karawane stoppen, äh sorry, die BUNTE Karawane, damit ich eine schmerzhafte Pinkelpause einfordern kann.Es geht so langsam voran, dass wir wohl frühestens in 2 Stunden da wären - bis dahin dehydriert und verhungert, da bin ich mir sicher. Nach ca. 4 km kapituliere ich und habe die großartige Idee, dass ich mich an diesem Platz einfach ins Gras schmeiße und die bessere Hälfte ohne Gepäck schnell das Wasser, eine Kleinigkeit zum Frühstücken und ein Mittel gegen meine Blasenentzündung holt. Gesagt, getan.
 

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Während ich im Gras sitze und warte, ist mir klar, dass ich eine gute Unterkunft finden muss. Die bessere Hälfte macht den Versorger und ich kümmere mich um unsere Höhle - schön wie simpel hier die Rollen verteilt sind. Die Unterkunft sollte möglichst dicht sein und auf dem Weg nach vorne liegen. Zurück ist, wie schon gesagt, keine Option. Zurück fahren wir eigentlich auch nie. Das ist einfach zu demütigend. 

Dicht liegen 3 Optionen:

 

  1. Heidis Schnarchhütte (ohne Witz, es heißt wirklich so!)

  2. Olafs Boxenstopp (auch wahr, ich schwöre es!)

  3. Landhotel Weingold (das einzigst seriös wirkende Angebot in der Nähe)

 

Zum Glück erreiche ich die ersten beiden Unterkünfte nicht und habe beim Landhotel Glück. Mitten in der Wallachei sitzend buche ich über mein Handy tatsächlich eine Übernachtung dort. Auch absurd, so weit ab vom Schuß kann ich trotzdem mit 3 Klicks ein “Geschäft” abwickeln. Die bessere Hälfte ist vom gestrigen Tag (und der nicht wirklich vorhandenen Nacht) auch noch so geschreddert, dass er sich sogar über meinen Vorstoß freut. Nach ein paar Schlücken Wasser und ein paar Nüßchen auf die Hand, machen wir uns zu den letzten 3 km für heute auf. Der Weg führt abenteuerlich über eine Landstraße ohne Fahrradweg. Google Maps lässt grüßen.

Aber als wir im Innenhof ankommen ist ALLES vorangegangene vergessen!!! Es ist absolut paradiesisch hier und wir merken sofort, dass wir diesmal WIRKLICH einen absoluten Glücksgriff erwischt haben. Die Dame vor Ort bietet uns sofort erfrischendes Wasser und Kaffee an, während wir staunend absatteln.

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Im Zimmer kommt dann das dreifache Hallelujah von uns. Wir schmeißen alles auf den Boden, reißen uns die Klamotten vom Leib, duschen endlich (ich war ja nur im Rhein, die bessere Hälfte wegen seiner Abneigung gegen alle Gewässer nirgendwo drinnen) und knallen uns aufs Bett und verfallen sofort in einen tiefen Mittagsschlaf. 3 Stunden später merke ich wie schlimm die Blasenentzündung ist. Ich kann nur im Cowboy-Gang laufen und bin darauf angewiesen dass mir mein Gefährte einen Tee nach dem nächsten brüht. Ich hoffe, dass ich über Nacht eine Wunderheilung habe, sonst weiß ich nicht, wie ich es morgen wieder in den Sattel schaffen soll? Drückt ihr uns bitte erneut die Daumen?!

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