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Tag 6
Eine rasante Fahrt durch die Nacht

Von Speyer über Karlsruhe nach Ettlingen 

Morgens ist die bessere Hälfte schon um 4.00 Uhr wach, während ich meinen “Frösche-Rausch” ausschlafe. Er hat das Konzert gestern leider verpennt. Zum Frühstück, was bereits auf mich wartet, lernen wir ein pensioniertes Radlerpaar aus Frankreich kennen. Die beiden sind so unglaublich inspirierend, dass wir mit großen Ohren ihren Geschichten zu hören. Sie fahren bereits seit 8 Jahren mindestens einmal im Jahr für 6 Wochen in unterschiedliche Länder mit dem Fahrrad von Campingplatz zu Campingplatz. So haben sie schon ganz Italien erklommen und Holland und Frankreich sowieso, und, und, und. Ach, ich könnte ihnen ewig zu hören. Sie erzählen auch, dass sie manchmal 70 - 90 km fahren, aber meistens 40 - 50 km. Ja, da fallen mir wieder unsere Wurzeln ein. So haben wir das letztes Jahr auch gemacht. Nur nach Lust und Laune gefahren und wenn es irgendwo schön war, gerne auch mal einen Tag länger campiert. So kamen unglaublich schöne Begegnungen zu Stande und der Begriff des "Genussradelns" wurde geboren. Wir lassen uns gerne treiben und wollen in jedem Fall den Spaß am Radeln nicht verlieren und bei 50 - 60 km am Tag, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Wir müssen ja niemandem etwas beweisen, im Gegenteil, dass ganze ist unser Urlaub und soll in jedem Fall schön sein und Spaß bringen. So ist es z.B. fast jeden morgen eigentlich ein Kampf für uns, früh loszukommen. Wir trödeln einfach beide gerne, ich ganz besonders, und lassen uns auch gerne treiben. Ist es ein einziges Gehetze und Gestresse, bin ich raus aus dieser Kiste. So ist es heute, wie in 90 % aller anderen Tage auch: Obwohl als eine der ersten aufgestanden, rollen wir als Letzte vom Platz. Egal wir rollen und darum geh'ts. Ein kleines Stück geht es noch durch die City und dann sind wir im Wald, kilometerlang, bis nach Karlsruhe. Wow! Was für ein Glück mal eine richtig lange Etappe im Schatten zu fahren. Nach 44 km sind unsere Ärsche trotzdem platt. Naja gut meiner nicht ganz so … aber gefühlt in jedem Fall! :-)

In Karlsruhe fahren wir zu einem Treffpunkt, um uns mit einer Freundin zu treffen. Leider muss sie länger arbeiten und wir überbrücken die Zeit bei Decathlon mit einem Ersatzteil-Einkauf. Irgendwann ist unsere Freundin da und wir fahren zu dritt durch Karlsruhe mit der Musikbox voll aufgedreht. Es bringt unglaublich Spaß und durch unsere Freundin haben wir noch eine Exkursion zum Thema Sightseeing inklusive. Wir landen im wunderschönen Schlosspark und haben auf einer Bank tiefsinnige Gespräche.

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Es geht um Freiheit und die Liebe zur Kunst und wie man diese mehr ausleben kann. Es ist interessant. Auf Tour ergeben sich immer unglaublich tiefsinnige Gespräche. Und sowieso alles scheint auf Tour intensiver zu sein: Die Natur, die Tiere, die Geräusche, die Erlebnisse und natürlich auch das Essen :-) Zum Abschied sagt unsere Freundin noch, dass wir sie sehr inspiriert hätten mit unserer Tour und das sie uns genau richtig findet, so ohne Funktionsklamotten und Profi-Equipment. Sie meint, wir sind einfach toll, so wie wir sind.

Aufgetankt von unseren tollen Gesprächen, habe ich heute das Gefühl, dass ich noch die ganze Nacht durchfahren könnte - mindestens 40 km! Die bessere Hälfte dagegen schwächelt zum ersten Mal. Am liebsten würde er hier schon irgendwo campieren. Ja klar, es ist inzwischen 20.00 Uhr und er ist ja schon seit 4.00 Uhr morgens wach. Tja, so gehen die Gemüter auf Tour manchmal auseinander. Wir einigen uns auf einen Campingplatz, der noch 18 km entfernt ist. Ein schöner Kompromiss, wie ich finde. Wenn wir allerdings gewusst hätten das dieser sich in schwindelnden Höhen, in dem sogenannten Albtal, befinden würde, dann hätten wir wohl wirklich direkt hier in Karlsruhe unser Zelt aufgeschlagen. Und wir wurden ja auch noch gewarnt im Vorfeld. Aber wir wollte ja nicht hören. Vor einem Supermarkt sagten Jugendliche mit dem Blick auf mich:” Guck mal da sind Pilger auf Pilgerfahrt.” Häh woher wissen die denn das so genau? Ein anderer fragte uns ganz interessiert, ob wir in der Wildnis schlafen würden. Wir mussten erst lachen und erklärten dann ein bisschen ernster, dass wir tendenziell Campingplätze ansteuern, allein schon wegen einer Dusche. 

Und hier kam dann der entscheidende Hinweis: Auf die Frage hin welchen wir heute ansteuern würden, warnte er uns vor, dass es bei unserer Wahl nur bergauf gehen würde. Da er nachschob, dass er dort oben immer sein Gras holen würde, nehmen wir ihn nicht so ernst. Ein Fehler, wie sich eine Stunde später schwitzend, hechelnd, im Dunkeln und mutterseeelenallein herausstellt. Hätten wir bloß auf diesen blöden Typen gehört. Aber jetzt sind wir in diesem stockdusteren Wald und können wieder mal nur vorwärts. Wie gesagt, rückwärts geht nur im aller größten Notfall! Der könnte sich zwar hier noch entwickeln, wenn wir nicht bald “Licht in Sicht” sehen, aber noch glaube ich an ein Wunder. Obwohl ich mir langsam nicht mehr vorstellen kann, wo hier noch ein Campingplatz auftauchen soll. Außer einem Schotterweg, einem verlassenem Wald und einem Fluss ist hier nichts - absolut nichts! Auch das Navi, weiß anscheinend nicht so recht wo wir sind, denn es zeigt schon seit 20 Minuten an, dass es nur noch 4 km sind. Weil es so krass bergauf geht, tut sich nichts, an dieser gottverdammten Kilometeranzeige. Irgendwann schießen wir nun endlich bergab, aus dem düsterem Wald hinaus und ich entdecke Lichter. Zivilisation juchuh! Ich freue mich! Wir haben es mal wieder auf der letzten Arschbacke geschafft. Um 23.30 liegen wir erschlagen in unseren Schlafsäcken. Aber wir sind glücklich. Wir haben es bis hierher lebendig geschafft. That's life - that's Camping- Life - Das ist das Leben - Das ist das wahre Camping-Leben!!!

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