Tag 4
Die erste (schlaflose) Nacht auf dem Camino
18. Juli'15 Saint-Jean-Pied-de-Port
Mamma Mia! Das war eine Nacht! Oder darf man so etwas überhaupt so bezeichnen? Die Definition einer Nacht ist ja normalerweise, dass es dunkel wird und man IRGENDWANN die Augen zu macht
und einschläft …
Letzteres war bei mir auf jeden Fall sehr spät!
Es war auch einfach alles zu strange, an diesem ersten Tag auf dem Jakobsweg.
Erst dieser Bus, der die Jakobsweg-Pilger teils laut grölend, teils besoffen (schon am ersten Tag und zur Mittagszeit?) in Saint-Jean-Pied-de-Port ausspuckte. Dann pilgerten alle im Entenmarsch zum Pilgerbüro und ließen sich dort den Pilgerpass, Infos, die Jakobsmuschel und auch ein bisschen Anerkennung geben - und ich mittendrin!
Dort erlebte ich auch das erste Mal das gegenseitige Messen: »Und, das wievielte Mal bist du hier? Wie viele Kilometer läufst du Morgen? Wie viel Zeit hast du? Welche heftige Funktionskleidung trägst du? Und wie ist deine Ausrüstung? Und bla, bla, bla, …« Ich klinkte mich, wie bereits beschrieben, zum Glück aus.
Auf jeden Fall war nach dieser ereignisreichen Ankunft erst mal nicht an Schlaf zu denken. Noch dazu kam, dass mein Bett-Partner, über mir im Hochbett, nicht nur mitten in der Nacht ins Bett ging, sondern so dermaßen das Bett zum Schwanken gebracht hat, dass ich dachte ich werde seekrank.
Irgendwann schlief Monsieur dann ein! Danke dem Herrn!
Aber bei mir war es nun vorbei mit dem Schlafen.
Es war auch doch sehr gewöhnungsbedürftig, mit so vielen unbekannten Leuten, auf so engem Raum zu schlafen - viele davon hätte ich wohl nicht mal zum Kaffee eingeladen und jetzt gleich so etwas Privates teilen … Oh, lá, lá!
Außerdem hatte ich am frühen Abend noch ein heftiges Erlebnis:
Kurz nach meiner Ankunft in dieser ersten Pilgerherberge, wollte ich nichts dringenderes, als unter die Dusche zu gehen und dort traf mich dann der Schlag!
Das war die kleinste Dusche, die ich je gesehen hatte. Man musste sich wirklich etwas einfallen lassen, um nicht alle vier Wände der »Abstellkammer« permanent zu berühren. Es war so eklig, zumal die Wände teils schwarz vor lauter Schimmel waren. Nachdem ich es irgendwie geschafft hatte, mich halbwegs zu duschen (und das als Moppelchen in der engsten Dusche auf diesem Planeten. Strike!), versuchte ich mich in dem Vorraum, der mindestens genauso klein war wie die Dusche, irgendwie anzuziehen. Ich war noch nicht mal fertig damit, da war ich schon fast wieder komplett durchgeschwitzt und hätte die Prozedur mit dem schwierigen Duschen eigentlich gleich wieder von vorne beginnen können. Dieses Wechselspiel hätte ich somit den ganzen Abend betreiben können. Aber natürlich hatte ich keinen Bock, noch ein einziges Mal in die ekelerregendste Dusche meines Lebens zu gehen. Und so langsam musste ich jetzt auch raus aus diesen winzigen Räumen, denn es meldeten sich die ersten klaustrophobischen Züge bei mir. Ich war jetzt kurz davor hier an einem ernsthaften Erstickungsanfall zu krepieren, ohne einen einzigen Kilometer auf dem Jakobsweg gegangen zu sein. Es war wirklich hart an der Grenze, und diese beiden Erlebnisse brachten mich zum Grübeln: Hatte ich doch die falsche Entscheidung mit dem Jakobsweg getroffen? Wenn alle Unterkünfte und vor allem die Duschen so sein würden, hatte ich ein echtes Problem!
Irgendwann muss ich aber doch eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen werde ich durch lauthals diskutierende Pilger wach. Ich blicke mich um und entdecke, dass so gut wie alle Pilger bereits weg sind. Ich habe wohl verpennt. Ein Blick auf meine Uhr sagt mir, dass es erst acht Uhr morgens ist …
Willkommen auf meiner Abenteuerreise! Willkommen auf dem Jakobsweg!